Im Herbst und Winter 2014/2015 war ich ein Semester Student an einer Universität in Baku. Azerbaijan war ein Land, von dem ich beinahe gar keine Vorstellung hatte. Meine eheste Assoziation war noch der Euro Vision Song Contest 2012, viel mehr hatte ich beim Verfassen meines Motivationsschreibens auch nicht zu bieten. Nach sechs Monaten Erlebnissen im Land ist es für mich immer noch nicht einfach etwas zu diesem Land zu berichten. Die Realität im Großteil des Landes ist so anders als das Bild, das die Regierung nach außen streuen will.Gibt man bei einer Bildersuchmaschine „Baku“ ein, kommen Bilder vom Boulevard der Hauptstadt am Kaspischen Meer.
Wohnt man in Baku, präsentiert sich die Stadt bis auf die an die Seepromenade angrenzende Innenstadt in solchen Bildern:
Der größte Teil der Stadt besteht aus Sowjet-Wohnblöcken in verschiedenen Graden des Verfalls. Dazwischen werden immer wieder neue Apartment-Blocks hochgerissen. Gerade in der Innenstadt werden Wohnungen aber oft nicht vermietet, da sie sich keiner leisten kann.
Ich habe die meiste Zeit im Viertel „Neftchilar“ verbracht, dem Viertel der „Ölarbeiter“. Es wurde mit zunehmender Fördertätigkeit für die Arbeiter in der Erdölindustrie gebaut.
Das Beitragsbild zeigt die technisch völlig veralteten Ölfelder, die bis an die Grenzen der Stadt reichen. Stadt und Ölfeld mischen sich vor dem Hintergrund des Olympischen Stadiums nahe der Metrostation „Koroglu“, das für die European Games 2015 gebaut wurde. Die Metrostation ist nach einem Nationalepos benannt, deren Held die Reichen und die Machthabenden bekämpfte und den Armen half. Die azerbaijanische Regierung, die das Stadium errichten hat lassen, nimmt lieber von den Armen für sich selbst: In einer Studie von Transparency International aus dem Jahr 2011 zu Korruption in Ölfirmen ging die staatliche aserbaidschanische Ölgesellschaft SOCAR als Sieger hervor. Ihr Hauptquartier liegt im höchsten Wolkenkratzer im Bild. Von dort blickt sie auf die umliegende Umweltkatastrophe, von der sie sich nährt.