Nach einigen Pausentagen in Luang Prabang sollte es spannend werden. Schon im Vorfeld meiner Reise hatte ich von den vielen unbefestigten Straßen in Laos gehört, die weit in abgelegene Gebiete führen, das wollte ich jetzt ausprobieren. Der zweite Teil meiner Runde in den Norden führte nun also gen Süden zurück nach Vientiane. Die erste Etappe von siebzig Kilometern folgte direkt dem Lauf des Mekong und war den größten Teil nicht asphaltiert. Zuerst kam eine breite feste Staubstraße, die wurde schmaler und schmaler, bis es nur noch ein huckeliger Pfad war. Hier machte ich auch die erste Bekanntschaft mit Stürzen, wobei der erste meine Schuld war. Auf dem Weg liefen immer Wasserbüffel vor mir her und irgendwann konnte ich es nicht lassen, einen ein wenig mit dem Rad vor mir her zu treiben. Irgendwann, als ich ihn überholt hatte, dreht er den Spieß um und trabte mir entspannt aber unbeirrt hinterher. Als ich das bemerkte wollte ich schneller in die Pedale treten, fiel aber durch den kaputten Weg und das sehr schwere Rad (ich hatte grad neu proviantiert und schleppte um die 40kg mit mir rum) einfach um. Ich blieb erstmal unter dem Rad eine Minute liegen bis die Schmerzen nachgelassen hatten. Währendessen schaute ich zum Büffel, der stand fünfzig Meter hinter mir und glotze mich hämisch an. Nach einer Weile grunzte er süffisant und trollte sich dann von der Straße. Alle paar Kilometer lag ein Dorf am Flussufer und oft wirkten sie wohlhabender als die Siedlungen an der Nationalstrasse 13 auf dem Weg nach Luang Prabang. Trotzdem hatten die Läden oft außer Batterien, Zigaretten, Bier und Süßigkeiten nicht viel zu bieten. So kochte ich abends in einer Teakplantage Wasser aus einer Quelle ab und buk mir Brot in Öl um tagsüber etwas zu essen zu haben.
Schließlich war wieder befestigte Straße erreicht und es war eine Wohltat, einfach rollen zu können. Bis zum nächten einhundertvierzig Kilometer langen unbefestigten Abschnitt waren es aber nur zwei Tagesetappen.
Noch ahnte ich nicht was mir bevorstand, als ich wieder den Asphalt verließ und auf einen holprigen Weg einbog, der jeden Hügel mitmachte. Auf den folgenden dreißig Kilometern sollten noch zwei Ortschaften folgen. Die zweite erreichte ich am späten Nachmittag. Es zeigte sich, dass eine kaputte Staubpiste nicht heißt, dass an einem Ort nur wenig Menschen leben. Das Dorf hatte zwei Schulen und geschätzt lebten eintausend Menschen hier. Unter einem Laubdach konnte ich das Zelt aufstellen und wurde die ganze Nacht von einer Kuhherde umbimmelt, die um mich herum graste.
Der nächste Morgen sollte die Wahrheit über meinen Weg bringen. In meiner Navigationssoftware hatte ich gesehen, dass ab jetzt für sechzig Kilometer keine Ortschaften mehr kommen würden. In den nächsten Stunden wurde aus dem Weg ein manchmal nur zwanzig Zentimeter breiter Trampelpfad mitten in der Wildnis. Selten traf ich einen Soldaten auf dem Motorrad und einmal zwei französische Motorradfahrer, die völlig von den Socken waren, als sie mich hinter einer Wegbiegung plötzlich trafen. Hätte ich nicht per GPS regelmässig bestimmen können, dass ich mich auf dem richtigen Weg befand, wäre ich wohl umgekehrt. Der gigantische grüne Filz, die steilen Hügel und Spuren wilder Elefanten lösten in mir mehr Bedrückung denn Euphorie aus. Das Wasser war zum Glück kein Problem, immer wieder gab es Flüsse und so kochte ich mir abends mal wieder welches ab, als ich in der Mitte der Wildnis – in jede Richtung mindestens dreißig Kilometer von der Zivilisation entfernt – zeltete. Am nächsten Tag wollte ich es in den nächsten Ort schaffen, aber laut dem Höhenprofil würde es hart werden. Hatte ich gestern schon oft wegen Steigung plus schlechtem Weg schieben müssen, sollte es heute auf nur wenigen Kilometern knapp vierhundert Meter nach oben gehen. Insgesamt war es eine Tagesetappe von achtundzwanzig Kilometern, aber es sollten die Härtesten bisher werden. Bis Mittag bewegte ich mich mit zwei Kilometern pro Stunde fort. Das hieß bei vielleicht 15 Grad Steigung in einem trockenen Bachbett (von Weg oder Pfad war nicht mehr zu reden) zehn Meter schieben, dann geht die Kraft aus ein, zwei Minuten Luft holen, wieder schieben… Es war eine elende Plackerei und abends war ich vom Fluchen und Grünzeug anschreien heiser. Als ich endlich am höchsten Punkt war, brachte das Bergabfahren auch nicht viel, da ich bei den Furchen und dem Gefälle das Rad nur in Dauervollbremsung neben mir vorsichtig runterrollen lassen konnte. Bei der letzten Steigung ging mir die Kraft in den Armen so weit aus, dass ich in meine Lenkertasche biss und damit das Rad nach oben zog. Dann endlich war ich in Muang Thong und es gab sogar ein Gästehaus.
Nach Muang Thong folgten ein letztes Mal fünfzig Kilometer Staubpiste, dann waren asphaltierte Gefilde erreicht. Von nun an ging es noch entspannt einhundertfünfzig Kilometer den Mekong hinab, dann würde Vientiane erreicht sein. Eines Abends habe ich Fotos vom Lageraufbau gemacht, um zu zeigen wie ein normaler Abend im Zelt (bisher ca. einhundertzwanzig Mal) so läuft. Im Idealfall ist ein Platz eben, trocken und nicht einsehbar. So zwischen 16.30 und 17.00 Uhr, denn 18.30 Uhr ist es schon Nacht, sollte der gefunden sein. Dann werden erstmal alle Taschen abgeladen, es folgt Zelt aufbauen und Schlafzeug reinpacken. Das sollte bis 17.45 Uhr erledigt sein, denn mit der Dämmerung kommen die Moskitos und dann sollte man das Zelt mit Licht nur noch ganz kurz öffnen, sonst ist der Bau voll davon. Dann mit einer Flasche Wasser duschen, wenn es genug gibt, mückenfeste Kleidung an, Hose in die Socken, Hemd in die Hose. Alle dann noch frei liegende Haut mit Moskitospray voll, auch in die Bündchen vom Hemd, Brustausschnitt etc. Dann übersteht man den Abend mit vielleicht 5 Stichen. Dann gegen 18 Uhr Abendkaffee kochen, im Anschluss Essen. Die Wahl besteht meist nur aus Nudeln mit Tomatensosse oder Nudeln mit Thunfisch und Öl. Dann breche ich meist sehr satt, denn oft koche ich vor Hunger zu viel, auf der Isomatte zusammen. Dann noch 2 Stunden Tagebuch-/Blogbeiträge schreiben, Fotos sichten, lesen oder YouTube gucken. So um 10 Uhr gehts ins Bett. Morgens stehe ich meist um 7 Uhr auf, zum Frühstück gibts Haferflocken mit Wasser und gesüßter Kondensmilch oder Fertignudeln. Gegen 8.30 Uhr kommt der unangenehme Part, alles wieder einpacken zu müssen. Man kann sich das aber mit Hörbuchhören etwas versüßen. Gegen 9.30 Uhr ist dann Abfahrt.
Schließlich war Vientiane wieder erreicht und der erste Monat in Laos vorrüber. Ich war so gesättigt von Eindrücken, dass ich mir keinerlei Sehenswürdigkeiten ansah und mich außer ums Ausruhen nur um das Visum für Vietnam kümmerte. Da im ersten Beitrag die Stadt etwas kurz gekommen ist, hier noch einige Eindrücke.