Laos-Den Mekong herunter und nach Osten

Es war nicht nur die Hälfte der Zeit in Laos vorbei, als ich Vientiane in Richtung Süden verließ. Auch die erste Hälfte der ganzen Reise ging ihrem Ende entgegen. Vor mir lagen 800 km auf der Nationalstraße 13 und diese Zeit sollte wieder einmal mit neuen Herausforderungen aufwarten. Doch waren sie dieses Mal mehr psychischer denn physischer Art.

Die 13 folgt dem Lauf des Flusses Mekong und führt dabei durch eine der wenigen nicht bergigen Regionen von Laos. Bei meinen Recherchen hatte ich immer wieder erfahren, dass die Strecke nicht viel hermache, aber meine Routenplanung zwang mich dazu, ihr zu folgen.
Die Tage vergingen fast schon undeutlich im immer gleichen Rhythmus aus Aufstehen, Fahren, Schlafen. Gesundheitlich ging es mir nicht gut und das Gefühl der Einsamkeit, dass sich sonst erst nach einer Woche einstellte, traf mich nun schon nach zwei Tagen im Zelt. Auch wenn in dieser Zeit einige gute Bilder entstanden sind, fühlte ich mich zum Fotografieren zu abgestumpft, fuhr an vielen potenziellen Motiven einfach vorbei und hatte das ständige Bedürfnis, mich gegen Reize von außen einfach nur abzuschotten.
Den zeitlichen Mittelpunkt meiner Reise verbrachte ich hinter einer Schule und am ersten Morgen der zweiten Hälfte fragte ich mich die ganze Zeit, wie ich das noch drei Monate durchstehen sollte. Daran, zurück nach Hause zu kehren, dachte ich dabei sonderbarer Weise nie. Ich glaube dazu fehlte mir die Kraft. Es war einfacher, das Hirn auszuschalten und nur zu treten.

Als ich Pakse erreichte, verkroch ich mich fast drei Tage in einem Hotelzimmer. Am zweiten Abend entdeckte ich dann ganz zufällig einen Friedhof, der für mich eine der wichtigsten Entdeckungen der Reise sein sollte. Vielleicht passte es zu meiner damals sehr ausgeprägt morbiden Stimmung. Zwischen alten Bäumen waren hunderte Gräber gefüllt und umstellt mit Gläsern voller Knochen und Totenasche. Ich verbrachte Stunden dort und es war dieser Verfall, der mich langsam aus meinem stumpfen Kokon holte.

Meine wichtigste Motivation in dieser Zeit war der Ausblick, über Weihnachten eine Woche auf einer der 4000 Inseln des Mekong zu bleiben und dort unter Menschen ein zumindest vorübergehend festes Heim zu haben. Von Pakse aus war es nicht mehr weit und so kam ich kurz vor Heiligabend an den Inseln an.

Die 4000 Inseln sind ein Abschnitt des Mekongs unmittelbar vor der kambodschanischen Grenze. Der Fluss teilt sich hier in eine Unzahl von Armen mit etwa 4000 Stückchen Land dazwischen. Die meisten sind nur wenige Quadratmeter groß, andere erstrecken sich kilometerlang. Ich wohnte auf der überschaubaren Insel Don Som, im Don Som Riverside Guesthouse. Das soll jetzt keine Werbung sein, aber es war die schönste und warmherzigste Unterkunft, in der ich auf meiner ganzen Reise geschlafen habe. Sie wird von einer Laotin und ihrem niederländischen Mann geführt. Nur zwei gemütliche Holzhütten, eine Küche, ein kleines, sonst vom Tourismus unberührtes, Dorf und freier Blick auf einen der Mekongarme. Wie geplant blieb ich eine Woche und verbrachte sie mit den anderen Gästen und mit Spaziergängen und Ausflügen.

Auf Don Som hatte ich mir ein Kilo Klebreis und das zum Dämpfen nötige Bambussieb gekauft. Die nächsten vier Wochen würde alles in einer Radtasche mitreisen, um dann von meinen Eltern in Vietnam mit zurück nach Deutschland genommen zu werden. Schon bei früheren Reisen habe ich mir als Souvenir Haushaltsartikel mitgenommen. So hat man zurück in der Heimat die Erinnerungen oft in der Hand und mehr und mehr Alltagsgegenstände bekommen ihre eigene Geschichte.

Kurz vor Neujahr ging es wieder los. Von Pakse ging es nun gen Osten über zwei Gebirgszüge nach Vietnam, die vorletzte Station meiner Reise. Die Straße führte mich über das Bolavan Plateau, eine 1200 Meter hohe Hochebene, auf der vorrangig Kaffee angebaut wird. Neujahr verbrachte ich in Attapeu, der letzten Stadt in Laos vor der vietnamesischen Grenze. Die Region ist eine der abgelegensten von Laos. Es gibt erst seit einigen Jahren eine asphaltierte Straße hierher. In den meisten Dörfern gab es nur eine von UNCIEF aufgestellte Wasserpumpe. Wegen den tausenden von Blindgängern, die die USA hinterlassen hatten, konnte ich die Straße nicht verlassen.

Den Silvesterabend verbrachte ich nicht allein, überall saßen Leute auf der Straße, tranken und sangen Karaoke. Ich wurde einige Male eingeladen, dann allerdings dermaßen schnell abgefüllt, dass ich schon 0.00 Uhr in meinem Hotelzimmer lag.

Die letzten vier Tage in Laos hielten noch einmal sportliche Herausforderungen bereit. Auf diesen letzten zweihundert Kilometern zur Grenze mit nur zwei Ortschaften galt es täglich um die eintausend Höhenmeter zu überwinden. Das hieß öfters, zehn Meter schieben, kurz durchatmen, wieder schieben und so weiter. Die Temperaturen lagen weiter um die vierzig Grad am Tag. Aber die Natur war wunderschön. Durch die Blindgänger bleibt das Land unberührt. Um mich herum reihten sich die Urwaldriesen aneinander und ich frühstückte zum Geschrei wilder Gibbons. Am fünften Januar war es soweit, es ging einen letzten Berg hinauf und die Grenze nach Vietnam war erreicht.

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