Meine Navisoftware ließ keinen Zweifel. Wir würden Hanoi nicht mittags, sondern früh um drei Uhr erreichen. Was das wohl werden würde… Aber darauf, irgendwie weiter zu kommen, kann man sich in Vietnam verlassen und auch mitten in der Nacht hatte ich die Auswahl zwischen fünf Motorradtaxis. So rollten wir durch neblige Straßen, vorbei an Mopeds beladen mit frisch geschlachteten Schweinen, Früchten und Blumen.
Gegen die Metropole Saigon wirkte Hanoi regelrecht beschaulich. Auch hier sind die Straßen fast immer sehr voll, aber die Häuser sind niedriger und kleiner. Ich verbrachte eine Woche im zwölf Personen Schlafsaal, ich kann nur davon abraten. Letztlich war meine Taktik, immer bis früh um vier Uhr wach zu bleiben und dann den Vormittag zum Schlafen zu nutzen, wenn der Saal fast leer war.
In Hanoi gibt es eine Brücke über den Roten Fluss. Sie wurde 1902 von den Franzosen ganz aus genietetem Stahl gebaut. In dieser Woche war ich sieben Mal bei der Brücke. Morgens, abends, mittags und früh um vier Uhr. Um sie herum war immer etwas los und das Licht war zu jeder Zeit sehenswert.
In Hanoi traf ich meine Eltern und wir durchreisten das Land die nächsten Wochen von Nord nach Süd und zurück nach Saigon. Das erste Ziel war die Halongbucht, eine Karstlandschaft aus rund 2000 Felsinseln, die sich bis sechzig Kilometer vom Festland entfernt aus dem Meer erhebt. Als eines der wichtigsten touristischen Ziele Vietnams schippern in der Hauptsaison bis zu 3000 Menschen pro Tag auf Ausflugsbooten durch die Gegend. Im Februar wartete die Bucht mit einem Bruchteil dieser Besucherzahlen und melancholisch düsterem Nieselwetter auf, wunderschön.
Ganz im Süden von Vietnam liegt das Mekongdelta. Wir hatten nur drei Tage, um uns diesen schier endlosen Garten anzusehen. Das ganze Delta ist um die 39.000 Quadratkilometer groß und ermöglicht es den Bauern, mit drei Ernten im Jahr sechzehn Millionen Tonnen Reis zu produzieren. Die Struktur der Landschaft um die Stadt Vinh Long erinnert an eine nicht enden wollende Kleingartensiedlung durchzogen von tausenden Kanälen.
Zurück in Saigon ging es für mich wieder auf den Bock und weiter nach Kambodscha, dem Land, über das ich die kontroversesten Geschichten gehört hatte. Die umfassten wirklich alles von „das beste Reiseland der Welt“ bis „ein Ort des Grauens voller traumatisierter Einwohner, Gewalt, Drogen und Korruption“. Die Wahrheit würde sicher irgendwo dazwischen liegen. Also die nagelneuen Mäntel aufgezogen und früh um sechs in die Pedale getreten. Der Stadtverkehr von Saigon war gerade erst am Erwachen und die erste Welle schwemmte mich in vier Stunden aus dem Zentrum hinaus aufs Land.